Bewegte Kreuzberger Sportgeschichte seit 1931
Im Jahre 1931 gegründet, lässt sich die Geschichte des BSC Eintracht/Südrings anhand der Geschichte Berlins erklären und umgekehrt. Die Texte zur Geschichte des Vereins stammen aus der Feder von Arne Baillière und dem Grußwort anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Vereins der damaligen Bezirkssporträtin Sigrid Klebba. Wir danken für Arnes Mühen und Frau Klebbas schöne Festrede und dafür, dass uns der Text zur Verfügung gestellt wurde.
Es war die Zeit der Weltwirtschaftskrisen und Massenarbeitslosigkeit. In Kreuzberg gab es eine ungeheure Bevölkerungsdichte – heute 150 000, damals 350 000 – Wohnungen waren überbelegt und es herrschten katastrophale hygienische Verhältnisse.
Das älteste Bild des Vereins
z. B. gab es keine Bäder in den Wohnungen. Nicht nur Schwimmbäder mit ihren Wannenabteilungen hatten deshalb eine andere Bedeutung, auch der Sport war als Möglichkeit von Licht, Luft und Sonne sehr nachgefragt.
In dieser unruhigen Zeit - Gründungsdatum des Vereins ist der 28. Juni 1931 - trafen sich 40 sportbegeisterte Menschen (Turner und Handballer), hervorgegangen aus der 11. Fichte-Abteilung des ASV Fichte, in der alkoholfreien Gaststätte „Absti“ am Marheinekeplatz 4, und gründeten einen neuen Sportverein mit dem Namen „Freie Sport-Vereinigung Fichte (FSF)“. Politisch stand der Verein den Kommunisten und Sozialisten nahe, was später Mitglieder des Vereins das Leben kostete (s. dazu auch den Beitrag zu Vereinsgründer Franz Cerny in der Ehrengalerie).
Aber es ging primär um den Sport. Auf Sportplätzen und -stätten in der Mittenwalder Straße und der Katzbachstraße tummelten sich Handballer und Fußballer des Vereins. Das Vereinsleben war zu damaliger Zeit sehr intensiv, man traf sich jeden Sonntag nach dem Spiel und beteiligte sich an Wochenendfahrten und Leichtathletiksportfesten außerhalb von Berlin.
Nach zahlreichen sportlichen Erfolgen und einem aktiven und abwechslungsreichen Vereinsleben folgte der Absturz in die braune Zeit in Deutschland. Die Arbeiter-Sportverbände und –Vereine, darunter auch der FSF, wurden verboten und mussten sich auflösen. Durch das Untertauchen der aktiven Mitglieder in anderen Vereinen bzw. die Neugründung von Vereinen konnte der Sport zum Teil fortgeführt werden. 1935 wurde von den Fußballern, die in Schöneberg untergekommen waren, der Verein ein zweites mal unter dem Namen Sport-Club Südring gegründet. Bereits 1936 stießen auch die Handballer, Turner und Leichtathleten wieder zum Verein und stärkten somit die Mitgliederzahlen. Der Sport-Club Südring trat zwar als bürgerlicher Sportverein auf, im Volksmund war er aber noch immer unter seinem alten Name bekannt und wurde auch so wahrgenommen. Leider blieb es bei den politischen Behörden nicht verborgen, dass sich zahlreiche Mitglieder der verbotenen Arbeiter-Sportvereine im Sport-Club-Südring versammelten, so dass es auch zu Verhaftungen und Repressalien einzelner Sportfreunde kam. Sportliche Erfolge konnten in der Zeit 1937/38 vor allem durch die Handballmannschaften erzielt werden.
Als der Krieg 1939 begann, hatte der Verein 17 Fußball- und Handballmannschaften. In den ersten Kriegsjahren wurde der Sportbetrieb schon zu großen Teilen eingestellt. Nach der Niederlage der Wehrmacht 1943 bei Stalingrad rief Propagandaminister Josef Goebbels zum „Totalen Krieg“ auf, was zum völligen Stillstand der Sportvereine, aber auch z.B. der Kabaretts, Biergärten und Tanzgelegenheiten führte. Damit war auch die 2. Etappe der Sportgeschichte des Sportclubs nach 10 Jahren beendet.
Mit dem Zusammenbruch nach einem entsetzlichen Krieg, in dem unzählige Menschen ihr Leben lassen mussten, die Stadt in Schutt und Asche lag, sollte man meinen, dass jahrelang wohl nicht an Sport zu denken gewesen wäre. Unittelbar nach den Schlacht um Berlin 1945 waren zudem alle sportlichen Tätigkeiten verboten, die zur Versammlung großer Gruppen führen konnten. Nicht leicht also, um zum Beispiel zwei Fußballmannschaften auf die Wiese zu schicken!
Und doch öffnete sich langsam eine Perspektive auf gesellschaftliche sportliche Tätigkeit. Bei den Besatzern gewann die Einsicht Oberhand, dass die gesellschaftliche Kulturbelebung und der Sportbetrieb von wesentlichem Belang für den Wiederaufbau (und indirekt für die Leistungserhöhung der Reparationszahungen an die Sowjetunion) waren. Jetzt ging es darum, für die Instandsetzung von dem Sportbetrieb in und um Berlin das richtige Personal zu finden, das nicht durch die NS-Diktatur belastet war. In Kreuzberg kam man also ganz schnell auf Willi Boos, Widerständler und Sozialist mit linken Tendenzen.
Also wurde Willi Boos, früherer Vorsitzender des Sport Club Südring, durch die sowjetische Stadtverwaltung zum Sportleiter für ganz Kreuzberg benannt. Die Fotos aus der Nachkriegszeit zeugen von den schweren Umständen, in denen man den Sportbetrieb wieder aufnehmen musste: Es mangelte an Allem, Trikots waren zum Beispiel nicht einfach zu finden, weil es keinen Stoff gab. Aber Not und die Lust auf Sport machen erfinderisch! Ein „gefundener“ Fallschirm wurde z.B. schnell zur Ausrüstung von einer ganzen Fußballmannschaft umgeschneidert! In einem anderem Teil Deutschlands stellte im selben Moment Adi Dassler die erste Deutsche Nachkriegs–Sportschuhe zusammen aus abgenutzten Armeestoffen und Gummideckeln.
Bereits im Mai 1945 fanden unter wahrlich veränderten Bedingungen auf dem Sportplatz Züllichauer Straße wieder die ersten Fußballspiele statt. In diesen schweren Zeiten war Willi Boos irgendwie der richtigen Mann am richtigen Platz. Seine streitbaren, sparsamen und geschäftstüchtigen Charakterzüge ermöglichten es ihm, aus wenig viel zu machen und schnell wieder einen gesellschaftlichen Sportbetrieb in ganz Kreuzberg entstehen zu lassen. Zunächst wurden kommunale Sportgruppen gegründet – nach dem damals geltenden Wohnortprinzip musste jeder dort spielen, wo er wohnte – und kurze Zeit später wechselte die Sportgruppe Kreuzberg Süd ihren Namen in Gruppe Südring, was dem ehemaligen Namen recht nahe kam.
Mit dem Vier-Mächte-Abkommen von Potsdam im August 1945 wurde Berlin in vier Sektoren aufgeteilt, Kreuzberg wurde der amerikanischen Besatzungszone zugeschlagen. Zunehmende Interessengegensätze der Siegermächte zur Nachkriegsordnung Europas und insbesondere Deutschlands führten zum Scheitern der gemeinsamen Verwaltung der Stadt durch die Alliierten. Berlin entwickelt sich zum Brennpunkt des „Kalten Krieges“. Entsprechend wollte die amerikanischen Stadtverwaltung keine Kommunisten in Führungspositionen, deshalb wurde Willi Boos in Kreuzberg als Sportleiter abgesetzt.
Als es Kraft einer Verordnung der Alliierten soweit war, dass Vereine zugelassen werden konnten, war der Sport-Club Südring - kurz: SC Südring - einer der ersten. Sein Vorsitzender: Willi Boos.
Für den SC Südring waren diese Zeiten sportlich sehr erfolgreich: Da es den Einwohnern Berlins verboten blieb, in anderen Bezirken Fußball zu spielen als dort wo man wohnte, verzeichnete die Fußballabteilung einen Zufluss von starken Spieler, die nirgendwo anders spielen konnten. Der SC Südring schaffte so schnell den Aufstieg in die Berliner Oberliga, die höchste Spielklasse.
Dieser Erfolg der Nachkriegsjahre wurde zur Zerreißprobe für den Verein. Im Jahr 1951 begann in Deutschland der bezahlte Fußball. Jetzt konnten die Vereine Spieler für ihre Leistungen bezahlen und mit immer größeren Beträgen und anderen Leistungen gute Spieler locken. Willi Boos war aber ein strikter Gegner des bezahlten Fußballs, was auch auf seine kommunistische Idee von Gemeinschaft zurückzuführen war. Mit seinem „Kein bezahlter Fußball in unseren Verein!“ waren die ambitionierten Fußballspieler und Fußballeiter des SC Südring nicht einverstanden. Der Konflikt eskalierte und die gesamte Fußballabteilung des SC Südrings trennte sich ab, weil sie in der Oberliga, also im bezahlten Fußball, weiterspielen wollten. Um zu verhindern, das der abgespaltene Fußballclub wieder ganz unten in die Kreisliga anfangen müsste, gestand der der SC Südring das Namensrecht „Südring“ dem neuen Verein zu, der so als Berliner Fußball-Club (BFC) Südring weiter in die Oberliga spielen konnte.
Eine neue Fußballabteilung beim SC Südring sollte aber zunächst nicht gegründet werden, um Schwierigkeiten mit der Namensgebung des BFC Südring zu vermeiden. Statt dessen wurde am 28. Februar 1950 ein neuer Fußballclub gegründet. Der Präsident des neu gegründeten BFC Eintracht war - natürlich - Willi Boos.
Willi Boos war damit Vorsitzender der beiden Vereine SC Südring (ohne Fußballabteilung) und des BFC Eintracht - einem reinen Fußballverein. Durch die gemeinsame Geschichte und den gemeinsamen Präsidenten war eine enge Zusammenarbeit beider Vereine vorgezeichnet. Zum Beispiel wurden Leichtathletikmannschaften beim Berliner Staffellauf als Kombination BFC Eintracht / SC Südring oder kurz genannt Eintracht / Südring gestellt. Durch die enge Zusammenarbeit unter einem Präsidenten war lag ein Zusammenschluss beider Vereine auf der Hand.
Dieser erfolgte dann auch im Jahre 1954. Bei der Namensgebung für den neuen Verein wurde auf die vorläufige Version durch Mitgliederbeschluss zurückgegriffen. Im Vereinsregister wurde der Name
BSC Eintracht/Südring 1931 e.V.
(mit Schrägstrich) eingetragen. Den BFC Südring gibt es in Kreuzberg auch noch und immer wieder kommt es zu Verwechslungen. Aber einfach merken: Wir sind die mit dem Schrägstrich!
Ab 1953 hatte der Verein den Platz in der Gneisenaustraße bezogen. Auf dem Gelände waren vorher Militär–Kasernen untergebracht, die abgerissen worden waren. Der ganze Kiez am Südstern (vorher Gardepionierplatz) war schon seit dem 19. Jahrhundert ein Garnisonskiez für die Kaiserliche Armee. Bis heute kann man dies noch an den vielen Militärischen Friedhöfen, die sich nach Tempelhof ausstrecken, und an den Fresken vor den ehemaligen Garnisonskirchen rund um den Südstern sehen.
Am 13. August 1961 wurde Berlin durch den Mauerbau geteilt. Als Ergebnis der großen politischen Spannungen zwischen NATO und Warschauer Pakt teilte diese Überraschungsaktion über Nacht nicht nur die Stadt, sondern auch den gesamten Sportbetrieb Berlins in einen östlichen und einen westlichen Teil. Dadurch wurden einige Mitglieder aus den Ostbezirken vom Verein abgeschnitten. Auch war der Wettbewerb in den so genannten Berlin-Ligen deutlich begrenzt. Der größte Nachteil aber war, dass man in West-Berlin vom grünen Umland und dem Rest der Republik abgeschnitten war. Deshalb unterstützte der Senat finanziell Initiativen, die den Kontakt zwischen Sportvereinen in West- Berlin und der Bundesrepublik fördern wollten.
Ab 1961 entstand auf Initiative von Margarete Vogt, der Ehefrau von Kurt Vogt, die „Hausfrauengruppe“. Diese Turnerinnen trafen sich zum einen für gemeinsame Gymnastik-Übungen,zum anderen organisierten sie viele Vereinsreisen in die BRD. Mit finanzieller Unterstützung des Senats wurden Busreisen organisiert und ins „freie Grüne“ gefahren: Frankenwald, in den Harz etc.. Bei diesen Wochenendreisen traf dann immer eine Sportmannschaft des BSC Eintracht/Südring auf einen Sportverein der BRD. Später im Jahr war dieser Verein aus der BRD dann bei uns zu Gast. Auf diese Weise wollte der Berliner Senat die Mauer überwinden und „brüderliche“ Bande zwischen West-Berliner Vereinen und Sportvereinen aus der Bundesrepublik entstehen lassen - allerdings war das auch eine Menge Papierkram.
Ab 1977 wurde die Infrastruktur unseres BSC Eintracht/Südring mit dem Vereinsheim in der Baerwaldstraße um einen wichtigen Baustein erweitert. Das im allerweitesten Sinne chaletartige Häuschen - unser "Heim" - ist ein schöner Kontrast zum sechsstöckigen Wohnblock gegenüber, der so typisch ist für die Berlin Nachkriegsbauten. Als Treffpunkt ist das Vereinsheim das Nervenzentrum des Vereins: Anlaufpunkt für Mitglieder oder Interessierte, die Fragen haben. Mannschaftssitzungen, Weihnachtsfeiern, Vorstandstreffen - und vor allem gemütliches Zusammensitzen nach den Trainings.
Mit der Weiterentwicklung der Sportarten erweiterten sich auch die Angebote des BSC Eintracht/Südring. Als in den 50iger Jahren Badminton populär wurde, wurde 1957 die Badminton-Abteilung gegründet. Auch für Taek-Won-Do, das Mitte der 70iger als Kampfsport beliebt wurde, bildete sich eine Gruppe. Mit der einsetzenden Zuwanderung der Arbeitsmigranten öffnete sich der Verein auch dieser Zielgruppe. ca. 45% der Vereinsmitglieder haben einen Migrationhintergrund.
Wie ein roter Faden durch die Geschichte des BSC Eintracht/Südring zieht sich auch, dass sich bei uns immer wieder Sportgruppen anmeldeten, die hier ein organisatorisches "Dach über dem Kopf" fanden - als freie Gruppen oder wegen der Auflösung von anderen Sportvereinen. Oft spielten darin die guten Trainings- und Wettbewerbsmöglichkeiten eine Rolle, die der Verein unter anderem wegen der guten Kontakte von Gründungsmitglied Kurt Vogt zum Sportamt anbieten konnte. Dem ehemaligen Faustballspieler gelang es immer wieder, hier oder dort eine Halle oder einen Übungsplatz für den Verein zu bekommen, und so immer neue Sportgruppen auf der Suche nach Trainings- und Spielmöglichkeiten an den Verein zu binden.
Einige Beispiele: 1986 fand eine Gruppe Volleyball-Spieler, die nach Verlassen der Schule weiterhin Volleyball spielen wollten, den Weg zu Eintracht/Südring. 1996 traten die Freizeitfußballer geschlossen als Mannschaft bei, 2010 wurde die italienisch geprägte Futsal-Gruppe aufgenommen. 2011 übernahm der BSC Eintracht/Südring die Handball-Spieler des abgewickelten „Turnsport Süden“ und bildet mit dem Märkischen Sport-Club nun die Handball-Spiel-Gemeinschaft HSG Kreuzberg.
Die Geschichte des Vereins, in dem viele Menschen gemeinsam durch gute wie schlechte Zeiten gegangen sind, verpflichtet. Der Verein zeichnet sich in seiner Arbeit vor allem durch zwei Aspekte aus:
- Sport für alle:
Sport verbindet - über alle Grenzen hinweg. Wir wollen jungen und älteren Menschen jedweder Herkunft oder Orientierung, die unsere Werte teilen, ein sportliches Zuhause bieten. Deshalb gibt es bei uns Sport für Einsteiger, ganze Familien, sportlich Ambitioniert, einzeln oder zusammen - ob als Leistungs-, Breiten- und Gesundheitssport. - Längerfristige Bindung an den Verein:
der Verein ist ein Ort der Begegngung, gemeinsamer Sport ist der Grund. Durch wechselnde, altersgerechte Spiel- und Sportmöglichkeiten wollen wir die Menschen für den Verein interessieren und dauerhaft binden. - Soziales Engagegment:
Für und mit dem Sport wollen wir uns im Kiez engagieren .Auch hier ist jede helfende Hand immer willkommen.